Sonntag, 12. Februar 2006

Muri

Wenn es Sonntags klingelt und der Klingelton bereits verrät, dass der/die Klingelnde nicht unten auf der Straße, sondern schon vor der Wohnungstür steht, dann weiß ich was kommt. Dann steht da jemand und möchte sich beschweren.
Heute war es allerdings nicht das schwule Pärchen von Nebenan, sondern die Dame aus dem zweiten Stock, die wir in ihrer Abwesenheit liebevoll “die Hexe” nennen, weil sie unter uns ein dubioses Singsang-”Begegnung im Licht”-Esoterik-Moped betreibt. Aus diesem dringen normalerweise gegen neun Uhr morgens die ersten “Ommmmm …”-Laute zu uns rauf. Ist okay, sorgt für inneren Frieden. Nur das Volk im vierten Stock, über uns, das hört die beruhigenden Klänge wohl nicht.
“Kann ich denn auch mal auf eine von euren tollen Partys kommen?”
Ton und Mimik sind, so weit ich das durch meine verquollenen Augen erkennen kann, leicht vorwurfsvoll und ich kann erahnen, dass mein zerknitterter Anblick sie irgendwie befriedigt. Schade eigentlich, dass ich keine massive Morgenlatte vorweisen kann, wie ich da in Boxershort und T-Shirt stehe. Die hätte ich ihr dann gerne für den unverlangten Weckdienst ins Gesicht gehauen.
Wovon redet die Frau überhaupt?
“Das war ja gestern wieder ein bisschen laut bei euch. Wenn das so weiter geht, muss ich mich irgendwann an die Vermieter wenden, oder die Polizei rufen.”
Gestern? Kurz rekapituliert … 19.30 bis 20 Uhr Kochen mit Wemsor und relativ lauter Musik, danach Essen im Wohnzimmer vor dem auf Zimmerlautstärke betriebenen Fernseher, gegen 23 Uhr mit Freddy und Wemsor zu Karins Housewarming-Party gefahren, von dort ins Mandarin Kasino … Bis in die frühen Morgenstunden. So bis gegen sechs Uhr, glaube ich. Freddy und Wemsor sind noch weiter gezogen und erst gegen 10 Uhr heute morgen wieder nach Hause gekommen.
“Hier war letzte Nacht niemand zu Hause … Und die Polizei war ja nun letzten Dienstag schon mal da.”
“Ja, die habe ICH gerufen!” Muri ist stolz und empört, das kann ich hören.
Prima, denke ich. Erst die Bullen rufen und die dann nicht reinlassen, so dass sie bei UNS klingeln wie die Weltmeister. Superfrau. Ich erkläre ihr, dass die Party, die sie per Ordnungskraft beendet hat, noch ein Stockwerk weiter oben stattgefunden hat, dass sie doch bitte dem Kindergarten im Vierten auf die Nerven gehen soll und dass sie bei mir an der falschen Adresse ist. Aus ihrem Gesicht spricht Unglaube, aber sie wendet sich zum Gehen. Nach oben.
Seit wann wohne ich eigentlich in einem Irrenhaus? Was habe ich da verpasst?